Brauchen Hunde einen Kinderfahrschein?
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gleicher Weise gelten – für manche, die Mittelschicht, sind Ausnahmen möglich,
für Mitglieder der Unterschicht nicht. Aus Sicht der Genderforschung ließe sich
zudem fragen, weshalb der Mann der Vertreter der Unerbittlichkeit und der gesetzten Ordnung ist, die Frau jedoch mittels Kommunikation einen Kompromiss
sucht und findet.
Die geheime Botschaft der Sequenz mit den zwei Hundehalterinnen erzählt
also nicht nur von einem Problem (soll man für einen Hund in einer Straßenbahn
zahlen?), sondern auch von Vertreterinnen zweier Sozialschichten, die bei dem
gleichen Problem unterschiedliche Problemlösungsmuster zeigen. Auf der einen
Seite gibt es die kurzhaarige, eher männlich-aggressiv wirkende Frau aus der
Unterschicht mit ihrer ‚Promenadenmischung‘6, die – statt im Gespräch mit dem
Kontrolleur nach einer fallspezifischen Lösung zu suchen – erst nach dem Gesetz
fragt und dann dessen Legitimität bezweifelt. Auf der anderen Seite gibt es die eher
weiblich wirkende junge Blonde aus der Mittelschicht mit ihrem Mittelschichthund,
die nicht die Legitimität bezweifelt, auch nicht protestiert, sondern (wenn auch in
einer Art Fassadenhandlung) ihren Hund zumindest für die Zeit der Kontrolle
in ihre Tasche packt. Die Erste will das Problem prinzipiell klären und ihr vermeintliches Recht mit einer Art lokalem Aufruhr durchsetzen, die Zweite spielt
das Spiel mit, hält sich vordergründig an die Regeln, packt ihren Hund ein (und
später wahrscheinlich wieder aus) und kooperiert. Sie hilft der Kontrolleurin, die
fallspezifische Lösung des Beförderungsproblems zu situieren. In dem gezeigten
Exempel stehen Widerstand gegen Kooperation, Verweigerung gegen Gehorsam.
Und da die Kamera zweifelsfrei mit der jungen Blonden aus der Mittelschicht
sympathisiert, ist die Botschaft der Kamera (des korporierten Akteurs) klar: „Mach
es so wie die Blonde, wenn Du clever bist. Nur die, die nicht so clever sind, protestieren und machen Ärger.“ Damit leistet die Kamera auch einen Beitrag zu der
gesellschaftspolitisch relevanten Frage, wie Bürger mit Gesetzen und Bestimmungen umgehen sollten oder grundsätzlicher: zu der Frage, wie Bürger sich verhalten
sollen, wenn Legalität und Legitimität auseinanderfallen.
Und damit geht es in dem Video von dem schwarzfahrenden Hund auch um
innere Sicherheit – wenn auch auf ganz kleiner Bühne. Und natürlich geht es hier
auch um Formen des Führens und des Sich-Führen-Lassens, also um Governance.
Anders formuliert: Die ‚Gute‘ führt sich vorausschauend selbst (Fremdzwang wird
6 Auch wenn es in der deutschen Gesellschaft nicht mehr klar ist, ob bestimmte Hunde
rassen eher von der Unter- bzw. der Mittelschicht gehalten werden, scheint mir doch
viel dafür zu sprechen, dass die Kamera in unserem Beispiel nicht nur registriert (Frau
X hat Hund Y), sondern auch sozial typisiert, also die jeweilige Schichtzugehörigkeit
durch den Hundebesitz anzeigt und somit mittels Kommunikation auch einen Typus
entwirft und ihn in Umlauf bringt (vgl. Reichertz 2009).
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Jo Reichertz
zum Selbstzwang). Sie kann dies tun, weil sie ihre Umgebung beobachtet und sich
fragt, was man von ihr erwartet. Und weil sie das tut, was man von ihr erwartet
(wenn auch nur formal, ohne innere Überzeugung), gibt es keine Konflikte und
keine Strafe. Die ‚Schlechte‘ besteht zuerst auf dem formalen Recht, dann auf der
Legitimität, dem gesunden Alltagsempfinden, dem Common-Sense, statt vorausschauend an der Lösung des Problems mitzuarbeiten. Sie wähnt sich im Recht
und will ihr Recht haben. Damit stört sie und deshalb erfolgt eine Strafe. Hätte
sie statt zu protestieren die Umstehenden freundlich nach einer Tasche oder einer
Plastiktüte gefragt, wäre sie ohne Strafe davongekommen.
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Und die Moral von der Geschicht’
Die Episode Braucht ein Hund einen Kinderfahrschein kann durchaus mit den
Begriffen des Dramas beschrieben werden. Aber es sind auch einige Ähnlichkeiten
mit einer Moritat zu erkennen. Vor allem die Moral am Ende der Episode spricht
für ein solches Verständnis. Hinzu kommt die äußerst plakative Filmsprache: Es
wird nicht differenziert, sondern immer zugespitzt und mit Hilfe der filmischen
Mittel überdeutlich dargestellt. Es bleibt wenig Raum für andere Lesarten.
Aus diesem Grund lässt sich der Videobeitrag der Sendung „24 Stunden“ als
Lehrstück in laufenden Bildern bezeichnen. Ein Lehrstück will ansprechen, will
unterhalten, aber auch zeigen, was richtig ist, was zu tun ist. Ein Lehrstück will
immer auch erziehen. Deshalb geht es in der von uns analysierten Sequenz immer
auch um Moralität, also darum, was richtig und was falsch ist.
Wenn die Episode vom schwarzfahrenden Hund ein Lehrstück ist, was ist dann
die Moral von der Geschicht‘? Ganz sicherlich die (so eine erste Antwort), dass
Unwissenheit nicht vor Strafe schützt. Auch die, dass der oder die Clevere aus der
Mittelschicht besser dran ist, und dass es deshalb gut ist, so clever zu sein wie sie.
Und die Moral von der Geschicht’ ist, dass nicht alle Vorschriften Sinn machen
müssen, aber dass Vorschriften nun mal Vorschriften und deshalb einzuhalten
sind – außer man findet eine fallspezifische Lösung.
Und gerade diese letzte Moral von der Geschicht’ ist interessant, weil sie bei
näherer Betrachtung, also bei ausführlicher Explikation, noch mehr über die Medien und deren Logik zeigt. Um diese zu explizieren, ist es hilfreich, sich einmal
von dem zu lösen, was die Kamera dem Zuschauer gezeigt hat, und sich zu fragen,
was sie hätte zeigen können. Da es sich ja gerade nicht um die Dokumentation von
Ereignissen handelt, sondern (wie der Einschub mit der klugen Blonden gezeigt
hat) um eine Montage, wäre sie auch anders vorstellbar und machbar gewesen.
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