Hundehaltung in der zweiten Lebenshälfte
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verhalten oder dass die soziale Situation insgesamt – also z. B. der Dorfplatz oder
die Fußgängerzone – durch die Anwesenheit von Hunden ihren Charakter hin zu
mehr Sicherheit und Vertrautheit verändert. Letzteres kann aber auch gegenteilig
wirken, denn nicht alle diese Interaktionen müssen positiv wahrgenommen werden oder sein: Manchmal können Hunde ganz offensichtlich auch störend oder in
seltenen Ausnahmefällen sogar tödlich sein (siehe etwa Heinze et al. 2014). In der
ganz überwiegenden Mehrheit der Studien werden jedoch positive Effekte berichtet
und untersucht.
Haustiere dienen fraglos als kommunikative Ressource in dem Sinne, dass sie
sich als Gesprächsthema anbieten (Bergmann 1988). Insbesondere Hunde fördern
aber auch Kommunikationen insofern, als dass die Hundebesitzer/-innen vermittelt
durch diese in Kontakt zu anderen Personen treten können bzw. sogar müssen,
das Gesprächsthema gibt es quasi ggf. dazu (Rogers et al. 1993). Sie sind somit
auslösendes Moment wie inhaltlicher Bezugspunkt zugleich. Dies gilt sowohl für
die Kontakte zu anderen Hundebesitzer/-innen, etwa wenn Hunde sich gegenseitig
beschnüffeln oder anknurren, als auch zu Personen ohne Hunde, etwa wenn die
Einkaufstaschen fremder Leute durchforstet werden (Robins et al. 1991). So zeigt
beispielsweise die qualitative Studie von Wood et al. (2007), dass Interviewpartner/-innen ihre auszuführenden Hunde als Anknüpfungspunkt für Gespräche in
der Nachbarschaft nutzen und so ungezwungen und zu einem relativ neutralen
Thema Interaktionen auch mit ihnen unbekannten oder wenig bekannten Personen
aufnehmen. Diese Form der Interaktion – so Jackson (2010) – bringe zudem Personen unterschiedlicher sozialer Herkunft zusammen und könnte daher im Sinne
eines „bridging social capital“ verstanden werden (siehe hierzu Putnam 2000: 411).
Auch wechselseitige Unterstützungsleistungen in der Nachbarschaft können durch
Haustiere angestoßen werden, etwa bei der Pflege der Tiere in der Urlaubszeit oder
bei anderen Unpässlichkeiten (z. B. Wood et al. 2007: 48f.).
Zunehmend gewinnen Interaktionen in virtuellen sozialen Netzwerken an
Gewicht. Auch hier können Tiere als kommunikative Ressource dienen (siehe z. B.
Golbeck 2011). Sie ermöglichen intensive Formen posttraditionaler Gemeinschaften
(vgl. Deterding 2008). Diese könnten vielleicht gerade im Alter von zunehmender Bedeutung sein, etwa wenn Mobilitätseinschränkungen eine Hundehaltung
erschweren.
Neben solchen Befunden zu Haustieren als Anlass für Interaktionen, Mittler
zwischen menschlichen Wesen oder sozialem Kapital im Sinne von Putnam (2000)
stehen Studien, die Tiere als direkte Interaktionspartner fokussieren und beispielsweise analysieren, wie Haustiere erlebte Einsamkeit verringern oder als Quelle für
emotionale Unterstützung dienen. Haustiere vermitteln zudem möglicherweise das
Gefühl, noch gebraucht zu werden, können dem Leben eine Sinn geben. Vergleich-
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Harald Künemund, Julia Hahmann und Katja Rackow
bar zu „friendship enrichment programs“ (Stevens et al. 2006), also Interventionen
zum Aufbau neuer Freundschaften, werden Tiere daher auch zunehmend in Institutionen des Alterns nicht nur zur Vermeidung von sozialer Isolation, sondern
auch zur Reduktion von emotionaler Einsamkeit eingesetzt. So zeigen Studien
der „animal-assisted therapy“ einen signifikant geringeren Einsamkeitswert bei
Studienteilnehmer/-innen (z. B. Banks/Banks 2002). Aufgrund geringer Stichprobenumfänge – in diesem Fall 45 Studienteilnehmer/-innen in drei Einrichtungen
–, der häufigen Querschnittdesigns und der fehlenden Kontrolle von Drittvariablen
ist die Aussagekraft der Studienergebnisse jedoch oftmals stark eingeschränkt (für
einen Überblick vgl. z. B. Barker/Wolen 2008; Filan/Llewellyn-Jones 2006; Nimer/
Lundahl 2007). Die Annahmen sind freilich meist relativ plausibel, etwa dass die
Mensch-Tier-Interaktion selbst, die Zuverlässigkeit der Begleitung durch das Tier
oder die Notwendigkeit ihrer Versorgung stabilisierende Effekte auf Individuen
haben (Smith et al. 2011: 219). Die Ursachen jedoch sind nicht immer eindeutig –
das zunehmende emotionale Wohlbefinden könnte ebenso der neugewonnenen
Aufmerksamkeit der Forscher geschuldet sein wie dem Tier selbst (vgl. Perelle/
Granville 1993). Trotz solcher Unsicherheiten in der Befundlage wird dem Feld
der „animal-assisted therapy“ sowohl in der Praxis als auch in der Forschung eine
große Zukunft prognostiziert:
Despite the poor methodological quality of pet research after decades of study, pet
ownership and animal-assisted therapy are likely to continue due to positive subjective
feelings many people have toward animals (Cherniack/Cherniack 2014: 1).
Dies – so attestieren Connell et al. (2007: 481) – könnte auch an der Tierliebe der
in diesem Bereich engagierten Forscher/-innen liegen.
Freilich gibt es auch gegenteilige Thesen und Befunde, die in Bezug auf die Älteren relevant sein können. So wird konstatiert, dass Tiere materielle Kosten mit
sich bringen, und vermutet, dass Sorgen über den Verbleib des Tieres nach dem
eigenen Tod das Wohlbefinden der älteren Tierbesitzer beeinträchtigen können
(z. B. Gerwolls/Labott 1994). Anzeichen für eine historisch wachsende emotionale
Bindung an Haustiere und die individuelle Bedeutung des Verlusts werden auch in
der zunehmenden Zahl von Tierfriedhöfen gesehen (Wiedenmann 1993; vgl. auch
Meitzler in diesem Band), Trauer um den Verlust der Tiere kann ebenfalls negativ
zu Buche schlagen. Es wurde auch schon behauptet, „pet owners are less psychologically healthy“, und zwar weil sie in der Tendenz häufiger angeben, Tiere mehr zu
mögen als Menschen (Cameron/Mattson 1972: 286). In der Tat sind entsprechende
Sprichworte allgemein bekannt, etwa das man Tieren eher trauen könne als Menschen. In diese Richtung weist auch der Titel der Arbeit von Golbeck (2011): „The
Hundehaltung in der zweiten Lebenshälfte
161
more people I meet, the more I like my dog“. In der Konsequenz könnte in Bezug
auf das hohe Alter daher vermutet werden, dass der intensive Bezug zu einem Tier
eine Vermeidung sozialer Kontakte sogar noch unterstützen kann oder dass die
notwendigen Aufgaben im Zusammenhang mit der Tierpflege zur Belastung werden
können. In dieser Perspektive könnten Ältere mit Haustieren also sogar häufiger
sozial isoliert und insgesamt weniger zufrieden sein. Wir vermuten vorläufig, dass
diese Fälle seltener sein werden als positive Erlebnisse und Wirkungen, Phasen
der Trauer weniger andauernd als solche der emotionalen Nähe usw., sehen aber
derzeit keine Möglichkeit, solchen Verteilungsannahmen mit belastbaren Daten
nachgehen zu können.
2.2
Hunde und Gesundheit
Haustiere – und hier insbesondere Hunde – sorgen für physische Aktivität, forcieren
eine gewisse zeitliche Strukturierung des Tagesablaufs und erhalten allgemein den
Kontakt zur Außenwelt. Letzteres nicht nur, weil für die Tiere gesorgt und eingekauft
werden muss oder Hunde regelmäßig ausgeführt werden müssen – sie erhalten auch
psychologisch betrachtet den Kontakt zur Außenwelt, zur umgebenden Realität, etwa
wenn sie nach Aufmerksamkeit oder Essen verlangen. Auch die bereits berichteten
Zusammenhänge mit sozialen Beziehungen und emotionaler Einsamkeit sollten in
diese Richtung wirken: Es wird beispielsweise argumentiert, Tierbesitzer/-innen
wären zufriedener, weniger einsam, hätten eine höhere Selbstakzeptanz, mehr
Hoffnung und dergleichen mehr:
Pet-owners were significantly more self-sufficient, dependable, helpful, optimistic,
and self-confident, than non owners, while non-owners tended to show less self-acceptance, self-centeredness, pessimism, and more dependency on others (Kidd/
Feldmann 1981: 872).
Dies kann dann wiederum zusätzlich positiv auf die Gesundheit wirken.
Ganz allgemein lassen sich Prävention und Rehabilitation als Kontexte unterscheiden, in denen Wirkungen vermutet und untersucht wurden. Eine präventive
Wirkung haben nach diesen Studien insbesondere Hunde. Betont wird dabei oft
auch der enorme ökonomische Vorteil gegenüber anderen präventiven (und insbesondere natürlich kurativen) Maßnahmen (siehe exemplarisch Wells 2009; eine
datengestützte Hochrechnung auf eine Gesamtbevölkerung findet sich z. B. bei
Headey 1999). Vor allem das Ausführen des Hundes erfordert typischerweise körperlichen Einsatz, weshalb eine höhere physische Aktivität bei Hundebesitzer/-innen
nachgewiesen werden konnte (Serpell 1990; Rijken/van Beck 2010; Andreassen et
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Harald Künemund, Julia Hahmann und Katja Rackow
al. 2013; vgl. außerdem die Übersicht bei Westgarth et al. 2014) – nicht jedoch bei
Katzenbesitzer/-innen. Dies führt u. a. möglicherweise zu dem geringeren Anteil
von Übergewichtigen bei den Hundebesitzer/-innen, dem selteneren Bluthochdruck
(z. B. Vormbrock/Grossberg 1988; Utz 2014) und niedrigeren Cholesterinwerten
(Levine et al. 2013). Darüber hinaus führt der Besitz von Tieren offenbar dazu,
dass häufiger ambulante ärztliche Versorgungseinrichtungen aufgesucht werden,
anstatt sich in stationäre Behandlung zu begeben (Rijken/van Beck 2010), und
dass Tierhalter/-innen insgesamt seltener einen Arzt aufsuchen (Headey/Grabka
2007). Dahinter steckt vielleicht die Sorge, dass ein Tier während der Abwesenheit
versorgt werden muss, was möglicherweise nicht so gerne Fremden überlassen wird
(Andreassen et al. 2013), was dann jedoch den o. g. Effekt auf die sozialen Beziehungen relativieren würde. Weiterhin wird berichtet, dass Hunde beim Aufspüren
von ernsten gesundheitlichen Veränderungen bei Menschen anschlagen können
und beispielsweise eine Krebserkrankung vorzeitig erkannt haben (Wells 2007;
gleiches wird für Epilepsie und Diabetes berichtet).
Im Kontext der Rehabilitation bzw. Kuration kann zunächst wieder allgemein
auf den weiten Bereich der „animal-assisted therapy“ verwiesen werden. Hunde
können dabei z. B. auch bei schweren Entstellungen etwa durch Verbrennungen
usw. emotional und psychisch stützen, da sie – anders als Menschen – in der Regel
nicht auf das Äußere einer Person reagieren. Darüber hinaus wurde z. B. gezeigt,
dass Personen mit Tieren nach einem Herzinfarkt eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben (Friedman et al. 1980). Die Befunde hierzu sind zwar zahlreich,
bleiben aber ebenfalls oft uneindeutig – beispielsweise könnte es sein, dass Personen
mit geringerem Blutdruck eher zur Hundehaltung neigen. Streng genommen wären
zum Nachweis von kausalen Beziehungen Längsschnittdaten und die Konstanthaltung der Randbedingungen notwendig. Demgegenüber haben wir den Eindruck,
dass die Studien – wie auch die bereits zitierten Übersichtsarbeiten beispielsweise
von Barker/Wolen (2008) zeigen – zumeist methodisch nicht recht überzeugen
können. Sie werden oft anhand kleinster Stichproben oder Fallstudien gewonnen,
gelegentlich mit experimentellen Designs, selten hingegen mit randomisierten
oder gar repräsentativen Stichproben. Generell ist eine methodisch elaborierte
Forschung – sei sie von Theorien ausgehend hypothesengeleitet, ethnographisch
oder hypothesengenerierend angelegt – in diesem Feld eher selten.1 Die intuitive
1 Als u. E. krasseste anekdotische Evidenz sei auf den Aufsatz von Scheibeck et al. (2011)
verwiesen, bei dem jegliche methodische Bemühung unter der Hand zur Realsatire
mutiert. Anders als bei satirisch gemeinter Literatur – immer noch sehr empfehlenswert
z. B. Honer/Hitzler (1987) – bleibt zumindest uns das Lachen hier etwas im Halse stecken,
da dieser Beitrag keine Ausnahme in dieser „double blind peer reviewed“ Zeitschrift
ist und dieser Extremfall einen Blick auf das mögliche Spektrum wissenschaftlicher
Hundehaltung in der zweiten Lebenshälfte
163
Überzeugungskraft der vermuteten und z. T. belegten Wirkungen lässt diesen Mangel
verschmerzbar erscheinen – dennoch lohnt u. E. ein Blick auf die Korrelate eines
Hundebesitzes in solchen Datensätzen: Die hohe Plausibilität der Annahmen sollte
dann ja verbürgen, dass wir entsprechende Korrelationen leicht vorfinden können.
3
Daten und Methoden
Wir ziehen für unsere deskriptiven Analysen zwei Datensätze heran – das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) für eine Bestimmung z. B. der Altersunterschiede in der
Hundehaltung sowie den Alters-Survey für detaillierte Analysen zu den älteren
Menschen. Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) ist eine wissenschaftsgetragene
Längsschnittuntersuchung, bei der Personen und Haushalte in Deutschland seit
1984 jährlich wiederholt zu demographischen, sozialen und ökonomischen Belangen befragt werden (vgl. Schupp/Wagner 2002). Die Daten erlauben einen Blick
auf die Zusammenhänge zwischen dem Vorhandensein von Hunden im Haushalt
und zahlreichen weiteren Merkmalen, vor allem aber bietet der Längsschnitt
die Möglichkeit, den Wirkungen und Effekten der Hundehaltung nachzugehen.
Für Analysen zu den möglichen Zusammenhängen zwischen der Hundehaltung
und der individuellen Gesundheit bzw. den sozialen Beziehungen bieten sich die
Befragungen aus den Jahren 2006 und 2011 an. In beiden Wellen findet sich im
Haushaltsfragebogen die Frage „Haben Sie oder eine andere Person in Ihrem
Haushalt ein oder mehrere Tiere? Wenn ja, welche?“, wobei in der Hybridfrage die
Antwortvorgaben Hund, Katze, Vogel, Fische sowie Pferd vorgegeben waren und
weitere Tiere offen angegeben werden konnten.
Neben einigen sozialstrukturellen Merkmalen werden potenzielle positive und
negative Wirkungen einer Veränderung im Merkmal Hundehaltung betrachtet,
indem vier Gruppen von Haushalten unterschieden werden: Haushalte, in denen
zu beiden Erhebungszeitpunkten ein Hund vorhanden war; Haushalte, in denen zu
keinem Zeitpunkt ein Hund lebte sowie zwei Gruppen, in denen zu jeweils einem
Messzeitpunkt ein Hund zum Haushalt gehörte, zu dem anderen jedoch nicht.
communities freigibt, der wirklich keine Begeisterung auslösen kann. Immerhin aber
hat sich die Zeitschrift nicht halten können – es gibt in den beiden erschienen Ausgaben
auch ausschließlich Beiträge mit Koautorenschaft des Herausgebers (der zugleich Vorsitzender der die Zeitschrift herausgebenden Gesellschaft ist) – sodass uns ein gewisses
Are you a Black Cat or a Golden Retriever? Everyone has unique personality traits that define who they are. Some people are quiet and reserved, while others are outgoing and energetic. Some people prefer to spend time alone, while others love to be surrounded by friends and family. Understanding your personality type can help you identify your strengths, weaknesses, and preferences, and can also be a fun and entertaining exercise. One way to determine your personality type is to consider your animal preferences. Do you feel more like a black cat, with a independent spirit and a touch of mystery, or are you more like a golden retriever, with a happy-go-lucky demeanor and a love of socializing? To help you figure out which one you are, we've created a quiz that will ask you a series of questions about your personality, interests, and behavior. The quiz is designed to be quick and easy to complete, and will provide you with instant results. So, what are you waiting for? A...
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